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Wie wir verstehen ist subjektiv

Musst du eigentlich arbeiten?

Beziehungsohr in Aktion

Musst Du eigentlich arbeiten?

Da saßen wir Mütter samt Babys also im Pekip-Kurs, schweißgebadet vom morgendlichen Marathon, auf dem Boden und beobachteten unsere Kinder dabei, wie sie die Welt erkundeten. An diesem Morgen hatte ich wie andere Mütter wahrscheinlich auch (anwesende Väter gab es in unserer Gruppe keine) bereits versucht, vor unserem Kind aufzuwachen, um noch allein duschen zu können, einen schnellen Kaffee zu trinken und die Tasche zu packen. 

Vor der Geburt meiner ersten Tochter dachte ich, ich sei gut organisiert. Doch erst seitdem habe ich wirklich gelernt, was Organisation bedeutet. Während unsere Babys auf den Pekip-Matten krabbelten, unterhielten wir Mütter uns. Etwas in eigene Gedanken versunken, hörte ich die an mich gerichtete Frage: „Musst Du eigentlich arbeiten?“

Ich weiß nicht mehr, was ich geantwortet habe. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich schon seit einigen Wochen wieder, gerne und freiwillig. Bei der Arbeit tauchte ich ein in eine mir vertraute und geschätzte Welt, ohne (wenn auch interessante) Baby-Gespräche, war mal nicht die „Mama von...“, sondern einfach Ich. Wenn es mir zu laut wurde, konnte ich dort die Tür schließen oder Menschen um Ruhe bitten; Kaffee trinken, der heiß blieb, weil ich nicht spontan meine Aufmerksamkeit auf wichtigere Dinge wenden musste. 

Wahrscheinlich war die an mich gerichtete Frage gar kein Vorwurf. Die Frage ließ mich jedoch rasend schnell, und sicher nicht bewusst gefiltert, vermuten, mein Gegenüber habe eine kritische Einstellung zu Müttern, die sich dafür entscheiden, zu arbeiten während der Kleinkindphase ihrer Kinder, ohne eine bspw. finanzielle Notwendigkeit. Sofort erfolgte meine emotionale Reaktion. Gehört habe ich: „Ich kann nicht verstehen, wer sein Kind von einer Tagesmutter betreuen lässt, nur weil er arbeiten will.“ 

Gesagt hat mein Gegenüber das nicht. Vielleicht auch gar nicht gemeint. Ich werde es nicht herausfinden, denn ich habe nicht nachgefragt. Mit dem Sachohr gehört, hätte ich einfach nur den rationalen Aspekt aufgenommen und geantwortet: "Nein, ich muss nicht arbeiten". Meinem Beziehungsohr war das aber egal, es hörte mehr aus der Frage heraus. Und, welches hat nun Recht?

Kommunikationsquadrat

Das Konzept der „4 Ohren“ stammt aus dem Kommunikationsquadrat - Modell von Friedemann Schulz von Thun, das vier Aspekte einer Nachricht beschreibt: den Sachinhalt, den Appell, die Selbstoffenbarung und die Beziehung. Im beschriebenen Fall reagierte das Beziehungsohr besonders empfindlich auf die Frage nach der Arbeit.

Die Reaktion auf die Frage „Musst Du arbeiten?“ zeigt, wie stark unsere eigenen Erfahrungen, Bedürfnisse und Erwartungen beeinflussen, was wir hören und wie wir es interpretieren. 

Das Beziehungsohr mag empfindlich sein, aber es hilft auch, eigene Gefühle und Bedürfnisse besser zu verstehen. In einer Welt, die oft schnelle Urteile fällt, ist es umso wichtiger, auf die leisen Stimmen in uns zu hören und den eigenen Weg zu gehen.